Freitag, 9. November 2012

Das Auto zum Wochenende, Folge 9: Lada Niva

Bordcomputer? Nein. Tempomat? Fehlanzeige. Airbag? Niemals.
Wer auf jeglichen Komfort oder gar Luxus verzichten kann, der greift seit Jahrzehnten zum Lada Niva. Er ist leicht und kurz und hat 22 Zentimeter Bodenfreiheit. All dies macht ihn zu einem äußerst geländegängigen Burschen. Hinzu kommt sein robuster Vierzylinder-Benzinmotor mit aktuell 83 PS, der die rostanfällige Karosserie oftmals überlebt. Da es praktisch keine Sicherheitsausstattung im Niva gibt, dient der naturgemäß schwache Antritt (0-100 km/h theoretisch in 22 Sekunden, aber praktisch nie erreicht) als serienmäßiger Garant dafür, dass es zumindest nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit zu Unfällen kommt. Angebracht scheinen eher 80 km/h, alles darüber ist schon ob des erhöhten Lautstärkepegels kaum erträglich.


Lada Niva, dahinter der Klassiker Lada Samara
(Foto: NS)
 

Wenn man also mit den Ansprüchen an dieses Fahrzeug herangeht, die man an ein modernes Auto stellen würde, schreckt man schockiert zurück und sieht sich schnell woanders um. Man muss es stattdessen als das verstehen und respektieren, was es ist: Ein Oldtimer, dessen Produktionsstopp wohl irgendwie vergessen wurde. Um den Niva zu lieben, sollte man darüber hinaus selten auf öffentlichen Straßen und fast ausschließlich im rauen Gelände unterwegs sein. Bei Förstern ist er deshalb schon lange beliebt. So bietet der deutsche Importeur sogar einen Riffelblech- Hundetrittschutz und einen Gewehrhalter als aufpreispflichtige Extras an. Die starke Heizung zur Gewährleistung der Wintertauglichkeit ist hingegen schon im Preis inbegriffen. A propos Preis: Schon offiziell kostet so ein neuer alter Niva unter 10.000 Euro, mittlerweile gehört dafür immerhin ABS zum Serienumfang. Dieser für einen solch sympathisch-unverwüstlichen Geländewagen utopisch anmutende Tarif sorgt dafür, dass es stets billigen Nachschub aus Russland gibt. Bedeutet: Niva werden bis zum bitteren Ende gefahren und dann durch einen neuen ersetzt. Das ist auch der Grund, warum es heute so gut wie keine Modelle der ersten Stunde mehr gibt. Schon seit einigen Jahren könnten sehr frühe Fahrzeuge aus den 1970er Jahren hierzulande als Oldtimer angemeldet werden. Es gibt sie aber schlicht nicht. Stattdessen tummeln sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt hauptsächlich Niva ab den 1990er Jahren.

Denkt man ernsthaft darüber nach, so ist es erstaunlich, dass sich in Mitteleuropa ein Auto 30 Jahre nach seiner Vorstellung optisch wie technisch so gut wie unverändert noch als Neuwagen verkaufen lässt. Als neues Modell war der Niva damals recht modern mit seinen Scheibenbremsen vorn und der Einzelradaufhängung. Davor hatte Lada nie ein eigenes Produkt im Markenportfolio gehabt, sondern ausschließlich veraltete Fiat-Modelle, die man dezent modifiziert auf den russischen Markt warf.

Nagelneu und trotzdem lange veraltet: Lada Kalina
 Kombi (Foto: NS)
 
Besonders der liebenswerte Niva entwickelte sich im Laufe seiner Bauzeit zu einem populären Kultmobil. Er war z.B. auch für die DDR interessant, wenn auch nicht so leicht zu bekommen. Außer dem kleinen Offroad-Kraxler hat es kein Lada-Modell dauerhaft in die Herzen eines größeren Publikums geschafft. Auch nicht der kompakte Samara, das zweitbekannteste Automobil des russischen Herstellers. In Bielefeld gibt es einen der letzten übriggebliebenen Lada-Händler in Westdeutschland. Schlenderte ich nicht ab und an etwas wehmütig daran vorbei, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, ausgerechnet über diese Marke zu schreiben. Lada ist in Vergessenheit geraten, nur noch in Osteuropa lässt sich die altbacken anmutende Modellpalette (mit Ausnahme des Niva) noch an den Mann oder die furchtlose Frau bringen. Hierzulande ist die Billig-Konkurrenz aus Südkorea und China, aber im Speziellen auch von der Renault-Tochter Dacia aus Rumänien zu groß geworden. Diese Hersteller locken auch mit kleinen Preisen - im Gegensatz zu Lada aber nicht auf Kosten der Sicherheit.


Wie lange der wiederum konkurrenzlose Niva in seiner zeitlosen Form noch zu haben sein wird, steht in den Sternen. Hoffentlich bleibt er uns noch eine Weile erhalten. Die Fangemeinde ist jedenfalls groß genug: Waidmanns Heil!


Nico Siemering, Bielefeld-Korrespondent

Siehe auch:

Das Auto zum Wochenende, Folge 8: Mini
Das Auto zum Wochenende, Folge 7: Alfa Romeo Montreal
Das Auto zum Wochenende, Folge 6: VW Phaeton
Das Auto zum Wochenende, Folge 5: Citroen DS
Das Auto zum Wochenende, Folge 4: Mazda MX-5
Das Auto zum Wochenende, Folge 3: BMW X6
Das Auto zum Wochenende, Folge 2: Fiat 500
Das Auto zum Wochenende, Folge 1: Bugatti Veyron EB 16.4

2 Kommentare:

  1. Ich wusste gar nicht, dass der gute alte Niva 2121 noch gebaut wird. Warum wurde der in Westeuropa nie ersetzt durch den 2123?

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  2. Wahrscheinlich dachte man sich: wenn unsere Autos schon schlecht sind, dann bitte wenigstens auch alt!

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