Freitag, 28. September 2012

Das Auto zum Wochenende, Folge 3: BMW X6


Es gibt Autos in allen Größen, allen Farben und für alle Geschmäcker: Vans für Familien, Kleinwagen für die City, Geländewagen fürs Grobe, Sportwagen für den Spaß, Cabrios für den Sommer, Kombis für den großen Einkauf, Luxuslimousinen für wohlhabende Menschen, die sich darin chauffieren lassen. Seit einiger Zeit aber verspüren die großen Automobilhersteller anscheinend das Bedürfnis, jede noch so kleine Nische mit neuen Modellen zu füllen, deren Sinn nicht auf den ersten Blick deutlich wird.
Pottwal auf vier Rädern (Foto: NS)
Ein bezeichnendes Beispiel für diesen Trend ist der BMW X6.  Er basiert auf dem riesigen SUV (Sport Utility Vehicle) X5, bietet aber weniger Raum und Platz und kostet einige Tausend Euro mehr. Die Begründung dafür ist laut BMW das coupéhafte Dach, das dem Wagen ein sportlicheres Profil geben soll und ihn so zum selbsternannten Sport Activity Vehicle (SAV) macht. Der große Nachteil: Durch die nach hinten hin stark abfallende Dachlinie bleibt den Insassen auf den Rücksitzen deutlich weniger Kopffreiheit. Große Menschen müssen sich in diesem Auto also den Rücken krumm machen. Hinzu kommt die schlechte Übersichtlichkeit durch die schmale Heckscheibe. Das macht den X6 wesentlich unpraktischer als, sagen wir, seinen Bruder X5. Und selbst dessen Daseinsberechtigung mag sich einigen Leuten nicht erschließen. In schweres Gelände kann man mit solchen Fahrzeugen nämlich keinesfalls vordringen - auch wenn sie so aussehen. Zwar haben diese Autos viel Bodenfreiheit und natürlich auch ein Allradsystem an Bord. Ehrliche und echte Geländetechnik gibt es aber nur bei der Mercedes G-Klasse und bei Land Rover sowie einigen Amerikanern. Wenn es aber einzig und allein um die Größe geht, könnte man in einem großen Kombi genauso viele Personen und ebenso viel Gepäck verstauen. So langsam gehen einem dann die Argumente für solche Autos aus. Sie sind schwerer (je nach Motorisierung bis zu 2,5 Tonnen Leergewicht), verbrauchen unverhältnismäßig viel und sind allein ob ihrer schieren Masse ein potenzielles Sicherheitsrisiko für alle anderen Verkehrsteilnehmer.


Soll ein Sportwagen sein: BMW X6 (Foto: NS)

Vielleicht geht es aber einigen Käufern auch um die hohe Sitzposition. Viele ältere Fahrer fühlen sich damit sicherer und schätzen die gute Übersichtlichkeit. Warum aber sieht man dann fast ausschließlich verhältnismäßig junge X6- Fahrer (viele davon weiblich) in deutschen Großstädten umherfahren, wo sie natürlich keinen Parkplatz finden, weil ihr Fahrzeug von den Maßen her nicht mehr viel mit einem modernen Automobil zu tun hat? Der X6 ist zwar das am wenigsten verkaufte BMW-Modell, trotzdem können sich die Verkaufszahlen sehen lassen, und das, obwohl die meisten Kunden sicher mehr als 80.000 Euro, einige sogar mehr als 140.000 Euro (für das Topmodell mit einigen Extras) gezahlt haben.
Da stellt sich mir und hoffentlich auch noch anderen doch die Frage: Wer macht so etwas? Angeber, die meinen, sich und anderen etwas beweisen zu müssen? Vielleicht aber auch Menschen, die so viel Geld zur Verfügung haben, dass sie damit einfach nicht mehr verantwortungsvoll umgehen können? Und nicht entscheiden können, welche Investition lohnenswert ist und welche einfach nur Überfluss? Leute, die uns durch ihren fahrlässigen Umgang mit Werten in die Wirtschaftskrise bugsiert haben? Jede weitere Äußerung würde zu weit führen, deshalb breche ich an dieser Stelle ab. Für’s nächste Mal vielleicht doch besser wieder ein cooles, sympathisches Auto zum Wochenende…

Nico Siemering, Bielefeld-Korrespondent


Siehe auch:
Das Auto zum Wochenende, Folge 2: Fiat 500
Das Auto zum Wochenende, Folge 1: Bugatti Veyron EB 16.4

6 Kommentare:

  1. Danke Herr Hassknecht, du sprichst mir aus der Seele.
    Die Autoindustrie scheint sich zu denken: Wenn in Zeiten von Absatzproblemen eh keiner ein Auto kaufen will, dann bauen wir halt Autos, die auch keiner braucht, um somit dem Kunden entgegen zu kommen.
    Dazu kommen noch diese Wischiwaschi-Autos.
    Vor 20 Jahren war alles noch so einfach: Da waren Limousinen noch richtige Limousinen. Kombis noch richtige Kombis. Geländewagen noch richtige Geländewagen. Sportwagen noch richtige Sportwagen.(...und kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri noch richtige kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri)

    Heute gibt es nur noch sportliche Kompaktvans mit viel Bodenfreiheit. Alle sind irgendwie knubbelig, bieten weder richtig Platz, noch sind sie wirklich kompakt. Weder Fisch noch Fleisch. Dafür sind sie active, stylish oder funny...nur utilitär sind sie nicht.

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    1. Du sprichst mir aus der Seele. Ich werd richtig sauer, wenn ich daran denke, wie viel besser, günstiger und sicherer Brot- und Butterautos für den kleinen Mann sein könnten, wenn es diese überflüssigen Crossover- Karren und die damit einhergehenden Entwicklungs- und Vermarktungskosten nicht gäbe!

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  2. Hey! Ich hab mir doch nen Bericht über den Focus ST gewünscht.. tztzzz... aber du hast ihn ja wenigstens für das nächste WE schon angekündigt! ;)

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  3. Die kommenden Wochen sind leider schon anderweitig verplant. Allerdings steht weiterhin das Angebot, selbst eine Art Erfahrungsbericht zu schreiben...

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  4. Euer Hass ist für mich als X6 Fahrer absolute Anerkennung.

    Danke!

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    1. Das ist ja niedlich. Dann sind ja am Ende des Tages alle zufrieden :).

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