Freitag, 14. September 2012

Das Auto zum Wochenende, Folge 1: Bugatti Veyron EB 16.4

In dieser neuen Serie wird jede Woche ein spannendes, sympathisches, aufregendes, zukunftsweisendes, denkwürdiges oder bedeutendes Automobil vorgestellt, kritisiert oder gelobhudelt.

Natürlich sollte der erste "Kandidat" gleich mehrere dieser Kriterien erfüllen. In der Premierenausgabe möchte ich zeigen, weshalb der Bugatti Veyron in der Vergangenheit zurecht so sehr für Gesprächstoff gesorgt hat.


Ein komplett verspiegelter Veyron in der
Wolfsburger Autostadt (Foto: N.S.)

Ein Blick auf die Eckdaten beeindruckt: 1001 PS aus 16 Zylindern, 0-100 km/h in 2,5 Sekunden, 0-300 km/h in unter 17 Sekunden, Spitzengeschwindigkeit: über 400 km/h. Autofans können allein bei der Vorstellung nicht ruhig sitzen bleiben, werden nervös und wollen das mal ausprobieren, nur ein Mal hinter'm Lenkrad Platz nehmen und Gas geben. Laut Journalisten und Testern ist das durchaus möglich, soll das Auto nicht zickig sein, sondern kinderleicht zu fahren und zu bedienen. Doch mal ehrlich, welcher Millionär verleiht schon sein sündhaft teures Spielzeug? Und noch wichtiger: Wo kann man dieses Auto überhaupt ausfahren außer auf Oval-Rennstrecken mit Steilkurven?

Selbst fahren geht also nicht, und die meisten der etwa 300 im elsässischen Molsheim produzierten Fahrzeuge stehen mittlerweile in hermetisch verschlossenen Tiefgaragen ihrer wohlhabenden, aber betagten Besitzer. Wozu also das alles? Trotz eines Kaufpreises von etwa 1,3 Millionen Euro hat Volkswagen (der Konzern besitzt Bugatti) Insidern zufolge mehrere 100.000 Euro Verlust pro ausgeliefertem Veyron gemacht. Das klingt nach purem Wahnsinn, besonders in einer Zeit, in der den Autokonzernen das Wasser bis zum Halse steht und sogar große Automarken wie Opel am Rande der Insolvenz wandeln. Was also hat sich VW dabei gedacht?

Es hatte schon viele Vorabbilder und Ankündigungen gegeben, noch weit bevor der Veyron in Serie ging, über Jahre zog sich die Entwicklung hin und manch einer rechnete nicht mehr damit, dass es jemals einen 1000-PS-Bugatti auf der Straße geben würde. VW hatte wohl unterschätzt, wie teuer und aufwändig die Entwicklung eines solchen Projektes ist. Einen Motor mit über 1000 PS zu bauen war dabei nur die kleinste Herausforderung. Dieses Monster musste aber in ein Auto gepfercht werden können, das allein schon aus Gründen der Aerodynamik extrem flach sein musste. Und bei den unvorstellbaren Geschwindigkeiten wirken natürlich auch außergewöhnliche Kräfte, was wiederum die Fahrsicherheit beeinflussen würde. Also mussten die Bremsen verstärkt werden, ebenso das Getriebe, auf das bis zu 1250 Newtonmeter Drehmoment wirken, mal ganz abgesehen von den Reifen, die es so noch nie zuvor für straßenzugelassene Autos gegeben hatte.

Das ist sehr viel Aufwand für ein unvernünftiges, verlustbringendes Automobil. Doch der damalige VW-Chef Ferdinand Piech befand sich auf einem Egotrip, wollte den Volkswagen-Konzern in neue Sphären hieven. Außer Seat und der Billigmarke Skoda sollte jedes einzelne Produkt Premiumstandards gerecht werden. Lamborghini wurde ebenso gekauft wie Bentley. Den VW Passat gab es plötzlich mit einem Achtzylindermotor und selbst in der Luxusklasse war VW bald mit dem Phaeton vertreten. Da passte das Prestigeprojekt Bugatti Veyron perfekt ins Bild. Es hatte bereits in den 1990er Jahren einen Wiederbelebungsversuch der elsässischen Marke durch einen italienischen Geschäftsmann gegeben, doch der EB 110 GT kam in einer wirtschaftlich schwierigen Phase auf den Markt und scheiterte. VW sicherte sich daraufhin die Namensrechte dieser Marke, die vor den Weltkriegen mit ihren schier unfassbaren Luxuslimousinen und den auch im Motorsport äußerst erfolgreichen Sportwagen Aufsehen erregte. Übrigens ist der Name Veyron EB 16.4 eine Reminiszenz an gleich zwei bedeutende Persönlichkeiten der Markengeschichte: Pierre Veyron, Entwickler und Rennfahrer für Bugatti vor dem zweiten Weltkrieg und Ettore Bugatti (EB), den italienischen Firmengründer.

Was stellt nun also der Bugatti Veyron dar und was soll man von ihm halten? Zunächst einmal ist er natürlich Überfluss in Reinstform, mit einem Verbrauch selbst mit sparsamer Fahrweise von mindestens 25 Litern auch alles andere als zeitgemäß. Das Produkt des übersteigerten persönlichen Ehrgeizes eines (wenn auch technisch begnadeten) Firmenchefs, der mit sehr viel Kapital hantieren und sich somit auch seinen eigenen Traum erfüllen konnte. Allerdings wurde das Projekt auch nach seinem Abtritt fortgeführt. So gab es einige Sondermodelle und auch eine nochmals stärkere Version - den Super Sport mit 1200 PS - mit dem sogar eine Geschwindigkeit von über 430 km/h erreicht wurde, nachdem ein amerikanischer Sportwagenhersteller zwischenzeitlich den Rekord innegehabt hatte.
Aber der Bugatti Veyron ist mehr als nur Show, Glamour und Rekordhascherei. Seine Fertigstellung nach jahrelanger Planung und Entwicklung war einer der wenigen Concorde-Momente der jüngeren Geschichte. Er zeigt das technisch Machbare, er ist so unvernünftig, dass es zweifellos möglich ist, dass er der letzte Supersportwagen seiner Art sein wird. Aufgrund der Regularien, die Höchstgrenzen bei Verbrauch und Emissionen festsetzen, macht ein solches Automobil in der Zukunft keinen Sinn mehr. Der Bugatti Veyron ist ein Auto für die Ewigkeit.

Nico Siemering, Bielefeld- Korrespondent

3 Kommentare:

  1. Vielleicht sollte VW einfach eine Oval-Rennstrecke mit Steilkurven als Sonderausstattung anbieten, vergleichbar mit Ledersitzen oder Mufflonfellfußmatten.
    Vorausgesetzt man hat ein entsprechend großes Stück Land, auf der man sie zwischenlagern könnte.

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    1. Du scherzt. Aber Ferrari hat das so ähnlich schon mal gemacht. Das Modell FXX z.B. konnte man zwar für teures Geld erstehen, aber gelagert wurde es bei Ferrari und man konnte es sich nur für "Racedays" auf gemieteten Rennstrecken ausleihen.

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  2. Ich finde das Foto sehr cool - die Formen zerfließen in Spiegellinien, ein bißchen wie ein Phantom.

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